Seminar Baugeschichte
Architekturgeschichte des Bahnhofs von den Anfängen bis zur Gegenwart
Dr. habil. Sabine Brinitzer

   

 

 


Hauptbahnhof Frankfurt

 

 

Pflichtfach/Wahlpflichtfach Hauptstudium Architektur/Raum- und Umweltplanung/Bautechnik
Blockveranstaltungen am 26. Mai und 16. und 23. Juni, jeweils ab 10.45 Uhr, R 1-124

Der Bahnhof zählt zu jenen Bautypen, die im 19. Jahrhundert erstmals mit der industriellen Revolution entwickelt worden sind und für den sich seitdem eine wechselvolle Bedeutung, Funktion, Architektur, Grundrißbildung und Konstruktionsart nachweisen läßt. Hinzu kommt, daß der Bahnhof von Beginn an aufgrund seiner örtlichen Lage und als Transitraum des Personen- und Warenverkehrs in den Städten einen neuen urbanen Drehpunkt bildete sowie das Städtewachstum und die Stadtstruktur beeinflußte. In den Innenstädten formten sich mit dem Bahnhof als neue städtische Elemente auf der einen Seite der repräsentative Bahnhofsplatz, das prosperierende Bahnhofsquartier sowie die prachtvoll inszenierte Bahnhofstraße und auf der anderen Seite das durch ein niedriges Sozialmilieu negativ konnotierte Bahnhofsviertel.

Dabei stellte der Bahnhof, bestehend aus der Gleis- oder Perronhalle und einem Empfangsgebäude zunächst eine vollkommen neue Bauaufgabe dar. Während er sich anfänglich – in England und nachfolgend auch in Deutschland – als ein am zeitgenössischen Wohnhaus orientiertes Empfangsgebäude an einer einzigen Gleisanlage präsentierte, war es bald darauf der klassizistische oder spätromanische Torbau aus Stein, welcher der Stadt zugewandt war und die Perronhalle aus Eisen und Glas mit mehreren Gleisanlagen hinter sich verbarg. Ihm folgte der historistische Bahnhofsbau, dessen repräsentatives Empfangsgebäude mit großem Giebel und Lünette-Fenster ästhetisch nun auch auf die rückseitige Perronhalle hinwies und eine baukünstlerische Verbindung mit dem städtebaulichen Kontext intendierte. Im Innenbereich machte die Disposition und Gestaltung der Räume stets auch die Entwicklung der Gesellschaft deutlich. Nachdem sich die Bahnhöfe bis in das 20. Jahrhundert hinein zu prächtigen Monumentalbauten entwickelt hatten, setzte im Zuge der funktionalistischen Moderne eine Schlichtheit und Zweckmäßigkeit ein, die sich durch eine ornamentlose Fassade und eine klare Gliederung der Baumasse mit Turm manifestierte. In der NS-Zeit wurde der Bahnhof zum Ausgangsort für militärische Einsätze und Deportationen. Kleinere Bahnhöfe wurden im Heimatschutzstil erbaut und monumentale Bahnhofsprojekte für München und Berlin konzipiert. Der Bahnhofsbau der Nachkriegszeit war einerseits vom Wiederaufbau sowie andererseits von neuen Bauwerken, wie in Heidelberg, München und Saarbrücken, bestimmt. Während in der Folgezeit die Bahnhöfe durch die Zunahme des Auto- und Flugverkehrs nur noch als Ausweichstellen fungierten, wurden viele von ihnen schrittweise umgebaut und in Einkaufs- und Dienstleistungszentren verwandelt.

Eine neue Ära des Bahnhofsbaues kündigte sich jedoch seit den 1990er Jahren beispielsweise durch die Neubauten des Bahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe, des Hauptbahnhofs in Essen und des Lehrter Bahnhofs in Berlin an, die sich unter dem Motto „Renaissance der Bahnhöfe“ eine Wiederherstellung seiner ehemaligen „Blütezeit“ durch großartige, multifunktionale Erlebnisräume, architektonische und konstruktive Höchstleistungen sowie eine neue „Bahnhofskultur“ zum Ziel gesetzt hat.

Die architekturgeschichtliche Entwicklung des Bahnhofs soll innerhalb des Seminars an herausragenden Bauwerken im Einzelnen erforscht werden.

   
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