Seminar Architekturtheorie
Tendenzen der sechziger Jahre
Dr. Andreas Schätzke

 

   

 

Moshe Safdie, Wohnanlage Habitat ’67, Weltausstellung Montreal 1967

 

 

Pflichtfach/Wahlpflichtfach Hauptstudium Architektur/Raum- und Umweltplanung/Bautechnik
Mi. 8.30 - 10.00, Raum 1/019 Beginn 25.10.2007

Die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts erweisen sich im Rückblick als überaus facettenreiche Dekade. Zahlreiche – zum Teil widersprüchliche und gegenläufige – Tendenzen dieser Periode spiegeln sich in der Architektur und der Stadtplanung wider. Die späte Blüte der internationalisierten Moderne brachte eine ansehnliche Zahl gelungener Solitäre und manches Ensemble von Bedeutung hervor. Gleichzeitig entzündete sich am Planen und Bauen der Zeit heftige und grundlegende Kritik.

Der Wunsch nach „modernen“, besseren Städten war vielfach an falschen Konzepten, Phantasielosigkeit und Geschichtsfeindlichkeit gescheitert. Ein wachsendes Unbehagen an der gebauten Umwelt artikulierte sich. So gaben in den USA Jane Jacobs, in Deutschland Wolf Jobst Siedler und Alexander Mitscherlich wichtige publizistische Anstöße, die Entwicklung der Städte zu überdenken und die Frage nach dem Verhältnis von Architektur und Gesellschaft nachdrücklicher zu stellen.

Architekten reagierten in einer Zeit, die bei weitem nicht von allen als krisenhaft empfunden wurde, auch mit neuen theoretischen Positionen. Zwischen Utopie und Wirklichkeit bewegte sich eine Vielzahl von Projekten, aus denen oft ein nahezu unbegrenztes Vertrauen in technischen und wirtschaftlichen Fortschritt sprach. Junge japanische Architekten propagierten den Metabolismus; die englische Gruppe Archigram verband in ihren analytischen wie subversiven Visionen eine Begeisterung für Hochtechnologie mit der Ästhetik populärer Kultur. International bedeutsam wurde vor allem der Strukturalismus, entstanden als Reaktion auf den „Funktionalismus“ vorangegangener Jahrzehnte. Schließlich gewann auch die Rückbesinnung auf vernachlässigte Traditionen Gewicht. Vor allem von Italien aus entfaltete gegen Ende des Jahrzehnts eine neue Variante des Rationalismus ihre Wirkungen.

Das Seminar widmet sich internationalen und deutschen Positionen von den ausgehenden fünfziger bis zu den frühen siebziger Jahren. Anhand theoretischer, programmatischer und kritischer Texte und beispielhafter Projekte werden Hauptströmungen, aber auch manche Nebenstränge der Architektur und der Stadtplanung in ihrem historischen Zusammenhang untersucht.

Voraussetzung für die Teilnahme sind Grundkenntnisse in der Architektur des 20. Jahrhunderts und die Bereitschaft zur Übernahme eines schriftlich auszuarbeitenden Referats. Die Referatsthemen werden in der ersten Seminarsitzung vergeben.

Programm

25. 10. 2007 Einführung
Vergabe der Referatsthemen
1. 11. 2007 fällt aus (Allerheiligen)
8. 11. 2007 Späte Moderne I
Arne Jacobsen, SAS Royal Hotel, Kopenhagen (1955–1960)
Oscar Niemeyer, Kathedrale, Brasília (1959–1970)
15. 11. 2007 Späte Moderne II
Hans Scharoun, Philharmonie, Berlin (1956–1963)
Ludwig Mies van der Rohe, Neue Nationalgalerie, Berlin (1962–1968)
22. 11. 2007 Stadt in der Kritik I
Jane Jacobs: „The Death and Life of Great American Cities“ (1961)
29. 11. 2007 Stadt in der Kritik II
Wolf Jobst Siedler, Elisabeth Niggemeyer, Gina Angreß: „Die gemordete Stadt“ (1964)
Alexander Mitscherlich: „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ (1965)
6. 12. 2007 Demokratie als Bauherr
Gottfried Böhm, Rathaus, Bensberg (1962–1967)
Günter Behnisch, Frei Otto u. a., Bauten für die Olympischen Spiele 1972, München (1967–1972)
13. 12. 2007 Strukturalismus I
Aldo van Eyck, Städtisches Kinderheim, Amsterdam (1957–1960)
Moshe Safdie, Wohnanlage „Habitat ’67“, Weltausstellung 1967, Montreal (1964–1967)
20. 12. 2007 Strukturalismus II
Al Mansfeld und Dora Gad, Israel Museum, Jerusalem (1959–1965/1994)
Georges Candilis, Alexis Josic, Shadrach Woods, Freie Universität, Berlin (1963–1973)
10. 1. 2008 Utopie und Wirklichkeit: Metabolismus
Kiyonori Kikutake, Ozeanstadt Unabara (1960)
Kenzo Tange, Yamanashi Presse- und Rundfunkzentrum, Kofu (1961–1966)
17. 1. 2008 Stadtvisionen: Hochtechnologie und Pop-Kultur
Yona Friedman, Ville spatiale (1958/1959)

Archigram, Plug-In City (1964) und Walking City (1964)
24. 1. 2008 Technizismus
Richard Buckminster Fuller, Amerikanischer Pavillon, Weltausstellung 1967, Montreal (1966/1967)
Jürgen Kunz, Paul Tröger, Wolfgang Weber, Klinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, Aachen (1968–1983)
31. 1. 2008 Rationalismus
Aldo Rossi, Wohnkomplex, Quartier Gallaratese II, Mailand (1968–1973)
Josef Paul Kleihues, Hauptwerkstatt der Berliner Stadtreinigung, Berlin (1969–1978)
7. 2. 2008 Vorboten der Postmoderne
Robert Venturi, Haus Vanna Venturi, Chestnut Hill (1962–1964)
Hans Hollein, Kerzengeschäft Retti, Wien (1964/1965)

 

Literaturliste

     

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