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Forschung Scherthan Lab

Forschungsgebiete:
Molekulare Cytologie
, Strahlenbiologie, DNA-Reparatur, Telomere,
Chromosomendynamik in der Meiose, Chromosomenevolution

 

Die meiotische Chromosomenpaarung

Eltern und ihre Kinder gleichen sich selten bis aufs Haar. Ein Grund hierfür ist die bei der sexuellen Fortpflanzung erfolgende Durchmischung und Neusortierung der Erbanlagen, die auf den elterlichen Chromosomen lokalisiert sind. Bevor aber Eizelle und Spermium miteinander verschmelzen, muss in beiden Eltern der Chromosomensatz halbiert werden, damit nicht jede Befruchtung zur weiteren Verdoppelung des Genoms führt. Diese speziellen Aufgaben, Vermischung der Erbanlagen und Halbierung des Chromosomensatzes, bewerkstelligt der Organismus durch zwei dicht aufeinanderfolgende Zellteilungen ohne dazwischengeschaltete DNA-Vermehrung. Diesen Vorgang nennt man Meiose. Eine unerlässliche Voraussetzung für die Reduktion des Chromosomensatzes und die Keimzellbildung ist die Längspaarung der väterlichen und mütterlichen Chromosomen (die Homologen) (Abb.1). Hierzu werden die zuvor meist getrennten Homologen in räumliche Nachbarschaft gebracht und durch eine Art speziellen Protein-Reißverschluss, den Synaptischen Complex (SC) miteinander verhaftet. Dieser Vorgang ist eine generelle Voraussetzung für die Trennung der elterlichen Chromsomen durch die Reduktionsteilung (Meiose I). In den meisten sich sexuell fortpflanzenden Organismen wird die Längspaarung dazu genutzt, um mittels Rekombinationsreparatur Stücke zwischen den elterlichen Chromosomen auszutauschen.

 

Beschreibung: Beschreibung: Beschreibung: Homologenpaarung in der meiotischen Prophase  (32421 Byte)Abbildung 1: Schematische Darstellung der Homologenpaarung in der meiotischen Prophase. (1) Vor der Meiose sind die homologen Chromosomen (zwei Paare: blau & grau) getrennt und nehmen im Zellkern kompakte Territorien ein. Die Chromosomenenden (Telomere, rot) und Zentromere (gelb) sind über die Territorien und somit im Zellkern wahllos verteilt. (2) Zu Beginn der Prophase I strecken sich die Chromosomen und heften mit ihren Telomeren an die Kernhülle an. Diese wandern an der Kernhülle entlang und bilden (3) eine kurzlebige Ansammlung - das sog. chromosomale Bukett. Die Telomerbewegungen ermöglichen es den Homologen sich durch molekulare Mechanismen zu erkennen und zu paaren. (4) Die Längspaarung der Homologen wird durch eine reißverschlussartige Proteinstruktur (den SC; schwarze Striche) stabilisiert. Nach der Paarung und Rekombination wird der SC wieder aufgelöst und die Homologen werden an den Zentromeren durch die Reduktionsteilung getrennt. (siehe Scherthan et al. 1996 JCB)

 

Es ist offensichtlich, dass die Bildung und Ausdifferenzierung einer großen Zahl von Keimzellen einen komplexen Mechanismus darstellt, der in mehrzelligen Organismen in speziellen Organen, so z.B. bei den Säugetieren in Testes und Ovarien, abläuft. Wird die Keimzellbildung durch Inaktivierung wichtiger Gene oder chemische Noxen gestört, kann dies zur Unfruchtbarkeit führen. So spielen genetische Defekte in der männlichen Keimzelldifferenzierung bei ungefähr 30% aller infertilen Männer eine Rolle.

Unsere Arbeitsgruppe untersucht den Mechanismus der Homologenpaarung vergleichend in der Meiose des Menschen, der Nagetiere und Hefen. Hierbei analysieren wir evolutiv entfernt verwandte Spezies und ihre Mutanten, um konservierte und somit bedeutsame Motive im Chromosomenpaarungsmechanismus identifizieren zu können. Besonderes Interesse gilt dabei den Chromosomenenden, den Telomeren, die eine bedeutende Schutzfunktion für die Stabilität des Genoms haben und in der Meiose eine beispiellose, in somatischen Gewebszellen unbekannte Umverteilung und Beweglichkeit zeigen (Abb.1). In der Methodik bedienen wir uns molekular-zytologischer Methoden wie z.B. der Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) in Kombination mit Immunofluoreszenz, wobei wir meiose-spezifische Proteine sowie ganze Chromosomen oder bedeutsame Chromosomenabschnitte in intakten Zellkernen anfärben und damit die Chromosomenpaarung in der Keimzelldifferenzierung darstellen (Abb. 2) und so auf Abnormalitäten untersuchen können.

 

Beschreibung: Beschreibung: Beschreibung: Abb-2 Meiose.jpg (17408 Byte) Abbildung 2: Darstellung der Paarung der homologen Chromosomen 3 in der Meiose des Menschen mittels mehrfarben-FISH. Die Centromere sind grün, die kurzen Arme blau und die langen Arme rot markiert. Die Umrisse der Zellkerne sind in dunkelblau zu erkennen. (a) Prämeiotischer Kern mit kompakten, getrennten Chromosomenterritorien. Hierbei ist auch die DNA der Arme getrennt. (b) Leptotän-Stadium der meiotischen Prophase: die Chromosomen sind ausgestreckt. (c) Zygotän: Die Homologenpaarung hat an den langen Armen begonnen. Die Centromere und kurzen Arme sind noch getrennt. (d) Pachytän: in diesem Stadium ist nur noch ein dicker Chromosomenfaden zu sehen, da nun die Längspaarung vollzogen ist. Dies gilt auch für die anderen 22 Chromosomenpaare die hier nicht dargestellt sind. (e) Kondensierter Kern eines haploiden Spermiums, der nach den beiden meiotischen Teilungen nur noch je ein Chromosom enthält. Maßstab: 5µm. (siehe Scherthan et al. 1998 JCS)

 

So gelang uns erstmalig der Nachweis, dass die Umgruppierung der Telomere in der frühen meiotischen Prophase der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae starke Homologien zur Bukettbildung in der Meiose der Maus, der Ratte und des Menschen aufweist (Abb. 3), und, dass die Telomeransammlung im Bukett ein Aktin-abhängiger Prozess ist.  Dabei darf man nicht vergessen, dass die Hefe nicht nur bei der Brot- und Bierherstellung eine (auch wirtschaftlich) wichtige Rolle spielt, sondern auch eine der am besten untersuchten genetischen Modellspezies ist.

 

Beschreibung: Beschreibung: Beschreibung: abb3.jpg (9796 Byte) Abbildung 3: Darstellung von Telomersequenzen (grün) und SC-Proteinen (rot) in Meiozyten-Kernen im Bukettstadium (Telomeransammlung). (a) Ratte, (b) Hefe und (c) Atm-Mutante der Maus (Kern-Oberseite dargestellt). Normalerweise finden sich in Zellkernen mit Bukettbildung feine Fäden der SC-Proteine (a). In der Atm-Mutante sind die Fäden dick und vernetzen mehrere Enden fälschlicherweise quer (Pfeil). Maßstab für a,b,c: 5µm. (siehe Scherthan 2001 NRMCB)

 

Um weitere Einblicke in die Mechanismen der Meiose und Rolle meiotischer Telomere für die Fertilität zu bekommen, untersuchen wir die Zellkern­architektur und Homologenpaarung in der Meiose von Mutanten der Hefe und Maus und wollen damit die genetische Regulation der meiotischen Telomerbewegungen sowie deren Interaktion mit der DNA-Reparatur und Homologenpaarung aufklären. So konnten wir u.a. im Mausmodell zeigen, dass eine Mutation im Atm-Gen, dessen Funktionsverlust beim Mensch die Erbkrankheit Ataxia telangiectatica auslöst, zur fehlerhaften Telomer- und Chromosomenverteilung (Abb. 3c) in der Keimzelldifferenzierung führt. Ähnliche Befunde wurden von uns in der Meiose von Mäusen gemacht, denen das Histon H2AX fehlt. Histon H2AX spielt auch eine wichtige in der DNA-Reparatur. In der Hefe S. cerevisiae konnten wir mit NDJ1 ein meiotisches Telomer-Protein identifizieren können, das für den Eintritt in die Bukettbildung benötigt wird, wohingegen scREC8 (eine Cohesin-Komponente) den Austritt aus den Bukettstadium reguliert. Differentielle Minor- und Major-Satelliten-DNA FISH und Immunfärbung zeigte, dass heterochromatische perizentrischen Chromosomenregionen von der allgemeinen Homologiesuche im Leptotän ausgenommen werden und ihre Paarung im Bukettstadium durch die intensive Telomer-Aggregation bewerkstelligt wird. Während in höheren Organismen und der Spalthefe die meiotische Chromosomenbewegungen durch Mikrotubuli getrieben werden, stellt sich in der Bierhefe die für die Bukettbildung nötige Aggregation und Dispersion von Telomeren entlang der meiotischen Kernhülle dabei als Aktin-abhängiger Prozess dar. Hemmstoffversuche und Lebendzellmikrokopie zeigten, dass der Aktin-Mechanismus der meiotischen Telomerbewegung in Verbindung mit scNDJ1 essentiell für die dramatischen  Chromosomen-Bewegungen ist, die in meiotischen Hefezellen während der Prophase I ablaufen und vermutlich die Homologenpaarung unterstützen.

In weiteren Forschungen untersuchen wir u.a. strahleninduzierte DNA-Schäden (DNA Doppelstrangbruch-Foci) in unterschiedlichen Zelltypen des Menschen und der Säuger und ihre Eignung als Biodosimeter zur Rekonstruktion von akzidentellen Strahlenexpositionen. Unsere Strahlen-Forschung in den Modellspezies Spalt- und Bäckerhefe konnten jüngst eine hohe Empfindlichkeit der Aktin-getriebenen Chromosomenbewegungen der Bäckerhefe gegenüber Umweltstressoren wie ionisierende Strahlung (IR) und Sauerstoffradikale aufdecken. Im Gegensatz dazu zeigte sich das Zytoskelett in der Meiose der Spalthefe durch starke antioxidative Schutzmechanismen gegenüber Umweltstressoren wie IR resistent. Die zugrundeliegenden Mechanismen werden in weiteren Arbeiten untersucht.

Publikationen

 

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